Reisebericht einer 3-wöchigen Reise nach Auroville im Südosten Indiens.
Nach einem frühen Start um 3.00 Uhr nachts, einem etwas stressigen Einchecken, einem kurzen Stop-Over in Paris, lande ich mit fast zwei Stunden Verspätung in Chennai.
Dort soll ich von einem Taxifahrer aus Auroville abgeholt werden. Ich bin sehr aufgeregt: Wartet er noch auf mich? Andererseits weiß ich aus früheren Reisen, dass lange Wartezeiten in Indien keine Seltenheit sind und so bin ich guter Hoffnung. Die Spannung steigt, ich beschließe das Geld wechseln auf später zu verschieben. Schon bin ich aus dem Flughafengebäude raus und immer noch ist kein Schild mit meinem Namen zu sehen. Welcher Name wohl auf dem Schild steht - Vor- und Nachname oder nur der Nachname? Ah, endlich sehe ich das Schild mit meinem Vornamen, wunderbar. Nach drei Stunden Autofahrt lande ich schließlich zufrieden in dem Gästehaus, das Freunde für mich in Auroville gebucht haben. Die Ortszeit ist halb vier Uhr in der Frühe. Ein bisschen will ich wenigstens noch schlafen und so lege ich mich gleich hin.
Einige Stunden später, ich habe überhaupt kein Zeitgefühl, wache ich auf und bin sofort hellwach. Nun hält mich nichts mehr auf der Matte. Samt Schlafanzug stürze ich aus meinem Zimmer und bestaune die Umgebung. Hier sieht es aus wie im Urwald. Sofort nimmt mich Mani in Empfang, erkundigt sich nach meinem Befinden und zeigt mir die wichtigsten Räume. Noch etwas langsam und benommen vom Flug und marschiere ich dann Richtung Essensplatz. Die anderen Gäste haben schon gefrühstückt, denn der Tag hat schon lange begonnen. Trotzdem erfahre ich noch die wichtigsten Dinge wie z.B. wo ich am Besten Geld wechseln und ein Konto einrichten kann.
Daher ist Town Hall mein nächstes Ziel und nach dem Frühstück mache ich mich gleich auf den Weg. Der Fußmarsch ist recht mühselig. Die ungewohnte Hitze und der Jetlag stecken mir in den Knochen. Nachdem eine Schlange zwei Meter vor mir vorbeirauscht, beschließe ich sofort mir für die nächsten Wochen ein Mofa zu leisten. Alles andere ist begeisternd. Die Landschaft, Tiere - einige Pfaue sind zu sehen, und all die Menschen in ihren farbenprächtigen Kleidern auf Fahrrad oder Moped sind ein Genuss für das Auge. Oft fahren mehrere Personen manchmal mit Gepäck auf einem Gefährt. Sogar einen Motorradfahrer mit seinem Hund auf den Tank liegend erblicke ich.
In der Town Hall angekommen erfahre ich, dass die Bank gerade schließt - Mittagspause. Nun, eine wohl verdiente Siesta tut nach dem längeren Marschweg sicherlich gut. Denn zurücklaufen und noch einmal neu starten, wollte ich auf keinen Fall. So fülle ich mir meine Flasche mit energetisiertem Wasser und lasse mich nieder. Zwei Stunden habe ich zu überbrücken bis die Mittagspause vorüber ist. In der Zwischenzeit vertreibe ich mir die Zeit damit Town Hall zu besichtigen. Im Gebäude finde ich viele interessante Informationen über Architektur, begutachte die verschiedenen Bürogebäude und Verwaltungsstellen, finde die Radiostation von Auroville und erfahre, dass die Stadt, 1968 gegründet wurde und aus über 100 Siedlungen unterschiedlichster Größe besteht, die durch Straßen und Radwege miteinander verbunden sind. Endlich öffnet die Bank und ich tausche ein paar Euro in Rupees und eröffne mit dem Rest einen sogenannten Account, mit dem die Möglichkeit besteht, an vielen Stellen wie Cafes, Kantine, Internet usw. bargeldlos zu bezahlen.
Direkt gegenüber der Town Hall schaue ich auf die Krönung von Auroville - das Matrimandir, mit dem Banyanbaum davor und dem Amphitheater. Dieser kugelförmige Bau wurde 1971 begonnen. Die Gründerin genannt "Die Mutter" bezeichnet das Matrimandir als die Seele von Auroville. Darin
befindet sich das "Inner Chamber". Ein Raum, der der Konzentration und Stille dient. Ein atemberaubender Raum der von einer phantastisch friedlichen Stille beherrscht wird. In der Mitte des Raumes befindet sich eine glasklare Kugel mit einem Kristall in der Mitte, der von oben mit einer Solarbetriebenen Lampe angestrahlt wird und einen einzigartigen Anblick bietet. Der Raum selbst ist von 12 weiteren Meditationsräumen, den sogenannten "Petals", umgeben. Darum herum ist eine große Gartenanlage, dessen Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind. Daneben befindet sich das Amphitheater. Dort wird 2008 das vierzigjährige Jubiläum von Auroville stattfinden.
Die Stadt selbst ist noch im Werden und ist in vier Zonen eingeteilt. Die Wohn-, kulturelle -, Gewerbe- und internationale Zone, die wie Spiralarme vom Matrimandir ausgehen. Dazwischen finden sich Parkanlagen und Grüngürtel. Die Stadt selbst ist von Wald, Farmen und freier Natur umgeben.
Die Entwicklung von Auroville geht langsam voran, denn auf einen endgültigen Stadtentwicklungsplan konnten sich die Aurovillianer bisher nicht einigen. Für die täglichen Belange der Gemeinschaft, heute leben ca. 2.000 Menschen dort, sind verschiedene Arbeitsgruppen zuständig. Grundlegende Entscheidungen werden dann in einer Vollversammlung getroffen an der alle volljährigen Mitglieder von Auroville teilnehmen können.
In der näheren Umgebung knapp einen Kilometer entfernt befinden sich Schulen, Kindergarten, das Solar Kitchen (eine solarbetriebene Kantine, denn Auroville ist im Bereich der erneuerbaren Energien sehr fortschrittlich), darüber das Solar Cafe mit Internetcafe mit einem gegenüberliegenden Informationszentrum. Auf der Straße Richtung Visitor Center begegne ich einem Gebäude das Savitri Bhavan, in dem Veranstaltungen wie Theater, Musik und einiges mehr angeboten werden. Daneben finde ich ein Postbüro und eine öffentliche Bibliothek. Und ein Stückchen weiter erreiche ich das Archiv von Auroville und die Räume der "Foundation", die Träger für alle Vermögenswerte von Auroville ist.
Für heute habe ich genug erfahren und so kehre ich ins Gästehaus zurück, um beim Abendessen zu hören, was die anderen Gäste erlebt haben. Einige Deutsche sind im Gästehaus untergebracht, aber auch etliche Franzosen. Das Gästehaus wird von einem Franzosen geführt, der einige Tamilen (so wird die Landbevölkerung genannt) beschäftigt. Jeden Abend wird ein französisches Drei-Gänge-Menü serviert. Vom Ayurveda her kommend, finde ich das natürlich schade, zumal die tamilische Küche eine sehr wohlschmeckende und vielseitige Kost ist.
Am nächsten Tag erhalte ich Gelegenheit von einem deutschen Gast die weitere Umgebung gezeigt zu bekommen. Nach dem Frühstück treffen wir uns und dieses Mal mit Mofa brausen wir los. Zuerst fahren wir zur sogenannten Hauptstraße. Ein ausnahmsweise geteerter Weg, der hin und wieder mit Schlaglöchern und eingebauten Wellen gespickt ist. Alte Hasen fahren geflissentlich drum herum. Die Verkehrsregeln sind einfach: links fahren, beim Überholen hupen und dorthin fahren wo Platz ist.
An der Hauptstraße liegen das Schwimmbad, der Nia-Tanzraum, ein kleineres Dorf mit Geschäften, darunter eine herrlich duftende Bäckerei und wichtig ein Schuster, der mir einige Tage später die ersten handgenähten Sandalen herstellt. Wir fahren weiter ins Repos, einem Treffpunkt der Aurovillianer, der direkt am Ozean liegt und wo man gut essen und echten französischen Espresso bekommt. Anschließend bekomme ich das Quiet Healing Center wo Therapien wie Massagen, Wasser-Shiatsu, Yoga, Pranayama, Feldenkrais und einiges mehr angeboten werden. Das Gelände sieht sehr schön aus mit all seinen Sträuchern, Blumen, Pflanzen und den hohen Bäumen mit den Hängematten darunter. Weitere wichtige Orte sind das Auroville Health Center, hier kaufen wir Tabletten und Cremes und das Pour Tous, ein Ort mit einem größeren Geschäft, das Lebensmittel und Dinge für den täglichen Bedarf anbietet. Später trennen sich unsere Wege. Meine Führerin fliegt heute Abend nach Deutschland zurück und muss noch Koffer packen und ich will das Matrimandir von innen besichtigen.
Doch für die Besichtigung des Matrimandir ist erst noch eine Vorprozedur notwendig. Wer die Seele von Auroville sehen möchte, muss zum Einstieg im Visitor Center, der Besucher-Information, einen Film anschauen und sich einen Pass für die Besichtigung abholen. Alles läuft wie am Schnürchen.
Zuerst sehe ich den Film, bekomme den Pass und gehe dann den Weg Richtung Matrimandir. Hm, die nächste Hürde bevor ich den Raum betreten darf, soll ich mir die vergoldete Kugel vom Amphitheater aus der Ferne betrachten. Innerlich kann ich mir ein Grinsen kaum verkneifen. Aha, eine Prüfung – doch nachdem ich diese geduldig bestanden habe, stehe ich schließlich um 16.00 Uhr mit einigen anderen am Treffpunkt. Von hier holt uns eine sehr freundliche Frau ab und erklärt uns Sinn und Zweck des Matrimandir und die Umgebung. Danach führt sie uns über einen schmalen Pfad zum Eingang wo wir die Schuhe ausziehen und Taschen deponieren können. Schließlich gelangen wir in das Innere der vergoldeten Kugel und gehen einen langen spiralförmigen Weg aus Marmor nach oben. In einem
Vorraum erhält jeder der Gruppe ein paar weiße Socken, denn das "Inner Chamber" ist ganz in weiß ausgekleidet und nichts soll schmutzig werden. Als wir den Raum betreten, beeindruckt mich die Atmosphäre sehr. Nie zuvor habe ich eine solche Ruhe und Frieden wie diese hier wahrgenommen. So
stelle ich mir einen Samadhi Tank vor. Für das erste Mal haben wir nur eine Viertelstunde Aufenthalt und genau nach dieser Zeit werden wir wieder hinaus gelotst. Am Ausgang lasse ich mich gleich für einen weiteren Termin eintragen. Denn von nun an darf ich eine Stunde im Matrimandir verbringen und so oft kommen wie ich möchte. Was ich während meines dreiwöchigen Aufenthaltes natürlich häufig genutzt habe.
Die nächsten Tage verbringe ich mit Gäste kennen lernen, interessanten Gesprächen, Tai-Chi üben und Umgebung erkunden – jeden Tag gibt es Neues zu entdecken, Kleider shoppen – super wichtig, tanzen gehen und vielem mehr. Als Reiki-Meisterin habe ich sogar einen anderen Gast in Auroville in Reiki eingeweiht. Täglich steigt die Temperatur. Ich bin sehr spät angereist. Wir haben schon Ende März und bis zum Mai/Juni klettern die Temperaturen auf 40 Grad hoch. Die tagsüber zusätzlich einsetzende
Schwüle lädt uns oft zur Siesta und zum Faulenzen ein. Alle anderen gehen häufiger zur Abkühlung in den Ozean. Ich stehe dem auf Grund der Feuerquallen skeptisch gegenüber und wähle stattdessen das Mofa fahren zur Abkühlung.
Dabei entdecke ich zum Beispiel den Sadhana Forest. Ein Gebiet, in dem Menschen ein sehr ökologisch beeinflusstest Leben führen. Sie sind Selbstversorger, die Toiletten arbeiten auf Basis der Kompostierung und einiges mehr gibt es hier zu besichtigen. Der Botanische Garten ist ebenso spannend. Auf einem riesigen Gelände werden die unterschiedlichsten Nutzpflanzen angebaut. Weiter in Richtung Landstraße werden Cashewkerne auf ökologischer Basis auf eine riesigen Farm angebaut, die mit Neem (eine sehr bekannte Pflanze in Indien) zur Bekämpfung von Ungeziefer und effektiven Mikroorganismen arbeitet. Dort erhalte ich eine kurze Einführung in den ökologischen Anbau.